Theorie der kognitiven Entwicklung nach Jean Piaget

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Theorie der kognitiven Entwicklung nach Jean Piaget (1896-1980)

1.Biographie von Jean Piaget

Jean Piaget, 1896 in Neuchâtel geboren, gehört nebst Sigmund Freud nach wie vor zu den zwei herausragenden, am meisten zitierten Psychologen. Er ist in der kognitiven Entwicklungspsychologie eine monumentale Gestalt. Es kann kaum eine entwicklungspsychologische Arbeit geschrieben werden, ohne Jean Piaget zu erwähnen. Er ging der zentralen Frage nach, wie wir Menschen zu Wissen über die Welt gelangen.
Piaget studierte Biologie und Philosophie. Nach seinem Studium siedelte er in den 20-er Jahren nach Paris über, wo er auf die beiden Forscher Binet und Simon traf, die mit der Konstruktion von Intelligenztests für Kinder beschäftigt waren. Piaget interessierte sich jedoch bald für qualitative Aspekte und nicht mehr für die quantitativen Aspekte der kindlichen Intelligenz. Er kehrte nach kurzer Zeit wieder in die Schweiz zurück, wo er Chef eines grossen Stabes am psychologischen Institut in Genf wurde. Ein Meilenstein stellte die englische Übersetzung seines Lebenswerkes durch John Flavell dar. Piaget hat bis zu seinem Tode mit 84 Jahren geforscht, hat mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unzähligen Studien Beobachtungen gesammelt und in vielen Büchern veröffentlicht, die mittlerweile in alle wichtigen Kultursprachen übersetzt wurden.

2 Wissenschaftstheoretische Ausrichtung

Bei Jean Piagets wissenschaftstheoretischer Ausrichtung, der "genetischen Epistemologie" handelt es sich um eine Theorie, die sich auf die psycho- und soziogenetischen Voraussetzungen der Entwicklung von Erkenntnis bezieht.
Die Lehre von Piaget, der Konstruktivismus, ging davon aus, dass das Kind seine Welt, sein Denken und Wissen selbst konstruiert. Für Piaget war es sehr wichtig, dass das Kind aktiv sein und sich der Umwelt anpassen muß.

3 Grundkonzepte

3.1 Funktionen

Wie bereits erwähnt, ist Jean Piaget nicht bloss als Psychologe zu betrachten, sondern auch als Biologe und Philosoph.

3.1.1 Organisation

Piaget interessierte sich vor allem für die Organisation von Denkstrukturen und kognitiven Inhalten. Er vertrat die Ansicht, dass kognitives Verhalten nicht bloss eine Ansammlung einzelner Reiz-Reaktions-Ketten sei, wie dies der Behaviorismus behauptete, sondern dass das kognitive Verhalten in hohem Masse organisiert sei. Der Mensch strebe also sozusagen eine Organisation seiner Informationen an.

3.1.2 Adaptation

Mit dem Begriff Adaptation ist die Anpassung eines Lebewesens an seine Umwelt gemeint. In der Biologie handelt es sich bei der Adaptation um eine Überlebensfunktion, die nicht das kognitive Verhalten beinhaltet. Trotzdem versuchte Piaget, die Adaptation auf kognitives Verhalten zu übertragen. Die Adaptation setzt sich aus den folgenden beiden Prozessen zusammen, der Assimilation und der Akkomodation.
Bei der Assimilation handelt es sich um einen Teilprozess, der die Interaktion zwischen Organismus und Inhalten der Umwelt beschreibt. Durch die Assimilation soll die empirische Tatsache erklärt werden, dass der Organismus die aus der Umwelt aufgenommenen Stoffe seinen Strukturen anpasst. Analog dem Vorgang des Stoffwechsels werden also auch die kognitiven Austauschprozesse aufgefasst. Der Organismus verhält sich somit beim Erwerb von Erfahrungen nicht passiv, sondern er konstruiert sich seine Umwelt so, dass sie zu seinen kognitiven Strukturen passt. Somit kann neues Wissen an Vorwissen angepasst werden. Wird zum Beispiel eine Rassel gegriffen, dann ist das die Assimilation der Rassel an das Greifschema.
Beim zweiten Teilprozess, der Akkomodation, handelt es sich um eine Anpassung an die Umweltrealitäten, es werden also die sensomotorischen und kognitiven Schemata
verändert. Die Akkomodation ermöglicht also, dass bestehendes Wissen verändert oder erweitert werden kann. Ein Beispiel: Das Schema oder die Struktur des Greifens kann und muss, um erfolgreich zu sein, je nach Situation und je nach zu greifendem Gegenstand in anderer Weise realisiert werden.
Der Erkenntnisprozess ist dann ideal, wenn die Assimilation und die Akkomodation im Gleichgewicht stehen (sog. Äquilibration). Der Äquilibrationsprozess ist sehr wichtig, damit die Entwicklung nicht auf einer Stufe stehen bleibt. Denn der Impuls zum Aufbau immer komplexerer Strukturen erfolgt aus der Erfahrung eines "Ungleichgewichtes", das sind fehlschlagende Assimilationsversuche, Widersprüche zwischen verschiedenen Assimilationsversuchen oder kognitive Konflikte.

3.2 Kognitive Strukturen

3.2.1 Schema

Bereits bei der Geburt ist der Säugling mit einer Anzahl funktionsbereiter Reflexmechanismen (Grundstrukturen) ausgestattet. Dazu gehören zum Beispiel der Saug-, Greif- und Schluckreflex. Das angeborene Verhaltensrepertoire wird auf dieser ersten Stufe geübt. Üben führt zur Festsetzung der gegebenen Schemata und zu deren Anpassung an die jeweiligen Gegebenheiten, also bereits zu ihrer Differenzierung: das Saugen an der Mutterbrust ist etwas anderes als das Saugen an der Flasche und am Daumen.
1.3.2.2 Operation
Als Operation wird die gedankliche Zusammenfügung von mehreren Informationen bezeichnet. Piaget meint mit Operationen Spezialschemata, die sich auf internalisierte Handlungen und auf das mentale Ausprobieren einer Handlung beziehen.

4 Stufen der kognitiven Entwicklung

Nach Piaget ist die kognitive Entwicklung eine Abfolge unterschiedlicher qualitativer Stufen.

Stufe: Sensumotorische Phase (bis ~2 Jahre)
Stufe: Präoperationale Phase (~2 bis ~6 Jahre)
Stufe: Konkret-operationale Phase (~6 bis ~12 Jahre)
Stufe: Formal-operationale Phase (ab ~12 Jahre)

5 Sensumotorische Phase

Das Verhalten in der sensumotorischen Phase entsteht ausschliesslich durch das Zusammenspiel von Wahrnehmungseindrücken und motorischer Aktivität. Das Kleinkind verfügt also weder über eine Vorstellungstätigkeit, noch über eine rationale Einsicht.

5.1 Symbolhandlungen

Piaget verfolgt die sukzessive Entwicklung einer Repräsentationsfunktion in jenen Aktivitäten, die eine symbolische Darstellung einer Handlung beinhalten. Piaget untersuchte dazu seine Töchter. Im 1. Lebensjahr brachte das Öffnen und Schliessen einer Streichholzschachtel keine Reaktion bei seiner Tochter hervor. Mit 1 1/2 Jahren aber, als er die Streichholzschachtel schloss und öffnete, öffnete und schloss sie ihre Hand, langsam und systematisch. Dann, ebenfalls systematisch und langsam, öffnete und schloss sie den Mund. Dies ist eine symbolische Darstellung des Öffnens und Schliessens der Streichholzschachtel.

5.2 Objektpermanenz

Das Erreichen der Objektpermanenz stellt für Piaget einen ersten Markstein dar. Am Ende der sensumotorischen Phase begreifen Kinder, dass ein Gegenstand auch dann noch weiter existieren kann, wenn er nicht mehr sichtbar ist. Zeigt man jüngeren Kindern ein interessantes Objekt, so weckt das deren Aufmerksamkeit. Versteckt man dieses Objekt vor den Augen des Kindes unter einem Kissen, scheint das Objekt seine Existenz zu verlieren. Jüngere Kinder verfügen also offenbar noch nicht über das Wissen, dass Objekte unabhängig von der Wahrnehmung weiterexistieren. Erst zwischen dem 6. und 7. Lebensmonat beginnen Kinder aktiv nach einem versteckten Gegenstand zu suchen. Piaget schloss daraus, dass sie nun über eine innere Repräsentation dieses Gegenstandes verfügen: sucht man nach einem unsichtbaren Gegenstand, so muss er als Suchziel innerlich repräsentiert sein.

5.2.1 A-nicht-B-Fehler

Der A-nicht-B-Fehler stellt ein weiteres wichtiges Phänomen dar: Ein Spielzeug wird für das Kind sichtbar auf den Tisch gestellt und mit einem Tuch zugedeckt. Anschliessend wird das Spielzeug hervor genommen und auf die andere Seite des Tisches gestellt, wo es dann erneut zugedeckt wird. Die ursprüngliche Stelle wird ebenfalls zugedeckt. Nun wird das Kind gefragt, unter welchem Tuch sich denn das Spielzeug befinde. Das Kind zeigt auf die ursprüngliche Stelle. Piaget erklärt dieses Verhalten damit, dass Kinder zwischen ihrer Wahrnehmung und ihrer motorischen Reaktion noch nicht unterscheiden können. Der Fehler hat nach Piaget also eine kognitive Ursache.

6 Präoperationale Phase

In dieser Phase spielt die Symbolfunktion eine entscheidende Rolle. Das Kind weiss nun also, dass ein Symbol für ein Objekt stehen kann. Es verfügt ebenfalls über eine qualitative Identität. Die Identität eines Gegenstandes, z.B. Papier, bleibt die gleiche, auch wenn es durch Verformung anders aussieht.

6.1 Animistisches Denken

Die Kinder sind nicht fähig, die Welt in belebt und unbelebt zu unterteilen. So wird zum Beispiel die Bewegung der Wolken an die Fortbewegungsart der Würmer assimiliert und gleichzeitig werden die Wolken als Lebewesen gedeutet. Piaget nennt die Wahrnehmung unbelebter Gegenstände als belebt "animistische Deutungen".

6.2 Finalistisches Denken

Auch hierbei handelt es sich um eine fehlerhafte Assimilation. Die Existenz von Naturerscheinungen wird zweckmässig erklärt, als ob es sich um menschliche Aktionen handelte. Bäume sind da, um uns Schatten zu spenden, Steine sind da, um Häuser zu bauen.

6.3 Artifizielles Denken

Die Kinder denken, dass alles in der Welt von den Menschen oder von Gott gemacht ist. Sie verfügen also über Konzepte der Herstellung, der Anfertigung und des Machens. Kinder vermuten zum Beispiel, dass starke Männer einen Berg gemacht haben oder sie fragen danach, wer die Babys gemacht hat.

6.4 Egozentrisches Denken

Piaget nennt nun die animistische, finalistische und die artifizielle Denkweise des Kindes egozentrisch. Piaget verwendet den Begriff Egozentrismus vielfältig, so z.B. zur Bezeichnung der Unfähigkeit, sich in die Rolle eines anderen hineinzuversetzen, den Blickwinkel eines anderen einzunehmen oder die eigene aktuelle Sichtweise als eine unter mehreren Möglichkeiten zu begreifen. Ein Kind dieses Alters zweifelt noch nicht daran, ob der Gesprächspartner verstanden hat, was es sagt, es fragt nicht nach. Das Kind weiss noch nicht, dass der andere die Dinge vielleicht nicht so versteht und sieht, wie es selbst. Es fühlt sich deshalb auch nicht dazu veranlasst, seine Ansichten zu rechtfertigen oder zu begründen. Durch die Entwicklung von Kompetenzen zur Perspektiven- und Rollenübernahme wird dieser kommunikative Egozentrismus allmählich überwunden. Mit der Zeit gelingt es dem Kind, die Perspektive anderer zu erkennen und sich in seinem eigenen Handeln und Sprechen auf die Verständnismöglichkeiten des Gegenübers einzustellen. So gelingt Kommunikation unter Berücksichtigung der Verständnismöglichkeiten unterschiedlicher Partner.

6.4.1 Drei-Berge-Versuch

Der Drei-Berge-Versuch ist eine klassische Demonstration egozentrischer Perspektive. Das Kind weiss zunächst nicht, dass es verschiedene Ansichten eines Gegenstandes von unterschiedlichen Perspektiven aus gibt.
Experiment: Einem vierjährigen Kind wird ein Modell mit drei Bergen vorgelegt. Nun wird jedes Kind vor das Modell in einer bestimmten Position gesetzt und es bestimmt dann die Ansicht, die es von den Bergen hat. Nun wird das Kind gefragt, wie die Berge aus der Sicht eines Betrachters aussehen, der in einer anderen Position sitzt. Die meisten Kinder werden die eigene Ansicht der drei Berge auswählen. Nun werden die Kinder an die Stelle des anderen Betrachters geführt. Die Kinder betrachten aus dieser Perspektive die Berge und wählen die Ansicht aus, was die Kinder problemlos lösen können. Schliesslich werden die Kinder wieder an die ursprüngliche Stelle geführt und wählen wiederum diejenige Stelle aus, die ein Betrachter aus der anderen Position hat und die sie gerade vorher selbst auch bestimmt haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird als Lösung wiederum die aktuelle eigene Ansicht der ursprünglichen Position angeboten.
Man darf bei diesem Versuch aber nicht ausser Acht lassen, dass es sich um eine recht schwierige Rekonstruktionsaufgabe handelt. Erstaunlich ist, dass das Kind lange glaubt, dass seine aktuelle Sichtweise die Ansicht sei, nicht eine unter vielen. Das Kind ist noch nicht in der Lage, sich in andere Rollen hineinzuversetzen. Es kann nicht zwei Informationen gleichzeitig verarbeiten, das Kind verarbeitet nur die salienteste. Nach Piaget wird die Überwindung des Egozentrismus möglich durch Erfahrung und Speicherung unterschiedlicher Ansichten sowie durch sozialen Austausch, durch Widerspruch und Konflikt der Ansichten.

6.5 Zentrierung

Gemäss Piaget sind Kinder in der präoperationalen Phase nicht in der Lage, mehr als einen Aspekt oder eine Information gleichzeitig zu berücksichtigen und zu beurteilen. Charakteristisch für diese Phase ist die Zentrierung der Aufmerksamkeit auf ein Merkmal eines Gegenstandes und das Ausserachtlassen anderer. Für Piaget ist dies ein grundlegendes Kennzeichen des präoperationalen Denkens.
Man begegnet dieser Charakteristik auch im Bereich der physikalischen Mengenbegriffe.

6.5.1 Invarianz kontinuierlicher Quantitäten

Bei diesem Versuch ging es Piaget darum herauszufinden, ob Kinder in diesem Altersabschnitt bereits über die Erkenntnis der Invarianz (engl. conservation) verfügen oder nicht. Dazu werden zwei Gefässe unterschiedlichen Durchmessers und Höhe nebeneinander auf den Tisch gestellt. Nun wird die Flüssigkeit des niedrigeren, breiteren Gefässes in das höhere, schmalere Gefäss umgeschüttet. Das Kind wird nun gefragt, ob jetzt in dem höheren, schmaleren Gefäss mehr drin sei oder gleichviel. Typischerweise antworten Kinder in diesem Altersbereich, im schmaleren Gefäss sei nun mehr Flüssigkeit drin. Offensichtlich bedeutet das Umschütten der Flüssigkeit für das kleine Kind eine Veränderung der Quantität, weil die Flüssigkeitssäule nicht mehr das gleiche Aussehen hat. Das Kind kann die Dimensionen Höhe und Umfang nicht gleichzeitig fokussieren und in einem Urteil integrieren. Ebenso werden auch Anzahl, Gewicht und Volumen lange Zeit als veränderlich durch Form- und Anordnungsveränderungen betrachtet. Aus dem oben erwähnten Versuch lässt sich auch eine Vernachlässigung der Transformation ableiten, die zu diesen Zuständen geführt haben. Das Kind betrachtet einen Zustand nicht als das Ergebnis einer Transformationskette. Das Umschütten einer Flüssigkeit von einem Gefäss in ein anderes begreift das Kind noch nicht als Transformation. Stattdessen wird der neue Zustand als Gegenstand für sich genommen, der als solcher beurteilt wird. Damit fehlt allerdings eine unverzichtbare Voraussetzung für eine angemessene Urteilsbildung.
Zentrierungen auf ein oder wenige Merkmale können zur Folge haben, dass wichtige Aspekte übersehen werden. Wird z.B. beim Umschütten der Flüssigkeit nur auf die Höhe des schmaleren Gefässes, nicht aber auf dessen Durchmesser geachtet, gelangt man zu einem Fehlurteil. Wenn ein Kind die zweite Dimension ins Auge fasst (Piaget spricht dann von einer Dezentrierung oder Umzentrierung), verliert es oft die erste wieder aus dem Sinn (sog. eindimensionales Denken). Es ist, als ob die Informationsverarbeitungszentrale des Kindes eine zu geringe Speicherkapazität habe. Gemäss Piaget handelt es sich dabei um eine fehlende Beweglichkeit des Denkens. Im Laufe der Entwicklung wird die Beweglichkeit grösser, und zwar einmal, indem Dezentrierung im Sinne einer zunehmenden Erfassung verschiedener Aspekte häufiger wird, zum anderen aber auch im Sinne der gleichzeitigen Verfügbarkeit verschiedener Informationen für deren Verarbeitung.
Auf dieser Stufe der Entwicklung führt das Denken des Kindes ständig zu Widersprüchen, die dem Kind zunächst gar nicht bewusst werden. Aber erst das Bewusstwerden der Widersprüche zwingen das Kind zu einer Reorganisation seiner präoperatorischen Schemata. Falls das Kind z.B. nach dem Umgiessen der Flüssigkeit nur die Höhe des höheren und schmaleren Gefässes beachtet, wird es sagen, dieses Gefäss habe mehr Flüssigkeit als das andere. Wenn das Kind aber auf die Breite achtet, wird es zum umgekehrten Urteil gelangen.

6.6 Klassen- und Kategorienbildung

Die Mannigfaltigkeit der Welt ist in verschiedene Kategorien einteilbar. Diese Fähigkeit stellt für uns Menschen eine wichtige kognitive Leistung dar, da es das Verstehen der Welt und die Kommunikation wesentlich erleichtert. Es bestehen unterschiedliche Prinzipien der Ordnung. Kinder ordnen die Welt zunächst nach thematischen Kriterien.

6.6.1 Problem der Klasseninklusion

Kinder ordnen die Welt zunächst nach Basiskategorien. Basiskategorien werden zur Vereinfachung der Welt gebildet, in dem Elemente die sich gleichen, einer bestimmten Kategorie zugeordnet werden.
Das Problem der Klasseninklusion wurde nun damit untersucht, indem man Kindern ein Bild mit drei Rosen und acht Tulpen gezeigt hat. Nun wurden die Kinder gefragt, ob auf dem Bild mehr Blumen oder mehr Tulpen zu sehen seien. Die Kinder geben in diesem Stadium ihrer Entwicklung an, dass da auf dem Bild mehr Tulpen zu sehen seien. Die Begründung des Kindes für diese Antwort ist, es habe weniger Rosen auf dem Bild. Oft geben die kleinen Probanden auch an, es gebe mehr Tulpen, weil es weniger Blumen gebe. Mit Blumen meinen die Kinder aber nun die Rosen. Das Wort "Blumen" ändert also seine ursprüngliche Bedeutung.
Die Schwierigkeiten für das Kind liegen nun darin, dass es noch kein System der Klassenverschachtelung aufgebaut hat, das ihm erlaubt, die Inklusionsbeziehung von Unter- und Oberklasse zu erfassen. Es ist zwar in der Lage, die Basiskategorie "Blumen" zu unterscheiden in "Rosen" und "Tulpen". Hat das Kind diese Differenzierung aber bewerkstelligt, ist es aktuell nicht fähig, sie geistig wieder rückgängig zu machen und sogleich die Tulpen wieder der Klasse der Blumen unterzuordnen. Wenn dann gleichzeitig nach "Tulpen" und "Blumen" gefragt wird, steht die Unterklasse "Tulpen" für die Bildung der Oberklasse "Blumen" nicht mehr zur Verfügung. Da die Differenzierung der Oberklasse gelingt, wird dieses Denken als unidirektional bezeichnet. Es ist noch nicht reversibel, das heisst, der gleichzeitige Vollzug der Differenzierung der Oberklasse und deren Rückgängigmachung, die Abstraktion von dieser Differenzierung gelingt nicht. Die Unterklasse "Tulpe" ist, einmal gebildet, sozusagen fixiert und kann für den verlangten Vergleich nicht mehr in die Oberklasse integriert werden. Diese Leistung wird erst möglich, wenn das System der Verschachtelung von Klassen oder der Klassenhierarchie vorhanden ist, in der die nächsthöhere Oberklasse ihre Unterklassen umfasst. Piaget nennt solche Systeme "konkret-operatorische Strukturen".

7 Konkret-operationale Phase

Die Strukturen oder Operationssysteme dieser Phase ermöglichen nun die Bewältigung der zuvor erwähnten Schwierigkeiten. Diese Operationssysteme stellen einen wichtigen Teil der geistigen Werkzeuge des Menschen dar. Später in der formal-operatorischen Phase werden sie nicht ersetzt, sondern ergänzt durch einige noch komplexere Systeme.

7.1 Reihenbildung nach einer Dimension

In der konkret-operationalen Phase sind die Kinder fähig, die Ordnung nach einer Dimension (z.B. Länge), die sog. Seriation asymmetrischer Relationen, vorzunehmen, die das verhältnismässige Korrelat des Ordnens im Sinne einer Aufreihung nach einer Dimension (z.B. Grösse) beinhaltet. Die Entwicklung des Seriationsverhaltens versuchte Piaget anhand einer Aufgabe darzustellen, bei der die Grössenverhältnisse dreier unterschiedlich langer Stäbe angegeben werden mussten. Die Kinder müssen über die Erkenntnis der Transitivität verfügen.
Zunächst wird also der grössere Stab A neben Stab B gezeigt. Danach wird der grössere Stab B neben Stab C gezeigt. Nun wird das Kind gefragt, welcher Stab nun länger sei, A oder C. In der konkret-operationalen Phase ist die Lösung solch logischer Probleme, die auf einer Inklusionsbeziehung beruhen, möglich. Das Denken hat also sozusagen über die Wahrnehmung gesiegt.

7.2 Der Zahlbegriff

Der Zahlbegriff setzt die Invarianz der Anzahl bei Veränderung der Anordnung voraus. Einem Kind werden zwei Reihen mit gleich vielen Chips gezeigt, dabei wird aber die eine Reihe in die Länge gezogen. Dies führt bei jüngeren Kindern zur Behauptung, dass diese Reihe nun mehr Chips enthalte, weil sie länger ist, oder weniger, weil die Lücken grösser sind. Das Aufsagenkönnen der Zahlenreihe vermittelt also dem Kind in dieser Phase noch keine für die Einsicht in die Invarianz nützliche Information. Ein fünfjähriges Kind kann zwar die Chips beider Reihen zählen und zur gleichen Anzahl gelangen, dies führt aber trotzdem nicht zur Einsicht in die mengenmässige Gleichheit der beiden Reihen. Die verwendeten Zahlworte haben im Sinne des Zahlbegriffs noch keine operatorische Bedeutung. Gemäss Piaget ist der Zahlbegriff erst möglich, wenn das Kind über die Fähigkeit verfügt, alle Objekte abzuzählen, was voraussetzt, dass alle Objekte als gleiche Einheiten behandelt werden (z.B. Chips). Dies ist eine der Leistungen der Klassenbildung. Doch wenn abgezählt wird, muss das Kind noch über eine Ordnungsrelation verfügen: zunächst das erste, dann das zweite, dann das dritte Element, usw.. Piaget verweist auf eine Struktur, die in dieser Weise eine Ordnung von Elementen erlaubt, nämlich die asymmetrische Relationsbildung: a
8 Formal-operationale Phase

Das formal-operatorische Denken geht in spezifischer Weise über vorgefundene oder vorgegebene Informationen hinaus. In dieser Phase wird nicht mehr nur aufgrund der aktuell gegebenen Informationen gefolgert und geurteilt, sondern es werden mögliche weitere Informationen einbezogen, die man zu gewinnen sucht.

8.1 Pendelaufgabe

Bei diesem Versuch wird Kindern unterschiedlichen Alters die Frage gestellt, von welchen Faktoren die Frequenz eines Pendels abhänge, von seinem Gewicht oder von seiner Länge. Es wird gezeigt, dass ein kurzes, schweres Pendel rasch schwingt und ein langes, leichtes Pendel langsam schwingt.
Kinder in der präoperationalen Phase neigen dazu, nur eine der beiden Dimensionen zu beachten: Sie werden sagen, ein kurzes Pendel schwinge schneller, oder aber sie
behaupten, ein schweres Pendel schwinge schneller. Dies ist ganz davon abhängig, welches der beiden in der Demonstration kombinierten Merkmale sie gerade ins Auge fassen.
Kinder in der konkret-operationalen Phase sind bereits in der Lage, mehrere Merkmale zu kombinieren und werden sagen, ein kurzes und schweres Pendel schwinge schneller (was ja auch beobachtbar ist). Es leistet also eine logische Konjunktion beider Dimensionen, was aber in diesem Falle nicht zur Lösung des Problems führt, da das Gewicht des Pendels nicht relevant ist.
Kinder, die sich bereits in der formal-operationalen Phase befinden, lösen sich von diesen konkret beobachteten Fällen (kurz/schwer und lang/leicht) und sehen diese als zwei von vier möglichen Kombinationen der beiden Variablen Gewicht und Länge, wenn diese je zwei Werte aufweisen. Sie wollen auch die noch nicht realisierten Kombinationen der beiden Dimensionen empirisch überprüfen, sie wollen also auch noch ein langes/schweres Pendel und ein kurzes/leichtes Pendel beobachten. Die neue Leistung besteht darin, dass sie ihren Schlussfolgerungen eine systematische Kombination von Variablen zugrundelegen, aus den gedachten Kombinationsmöglichkeiten Hypothesen ableiten und diese prüfen. Die Variablen werden also kontrolliert und isoliert, man bedient sich mental einer 4-Felder-Tafel.
Dadurch ist ein erstes zentrales Merkmal des formal-operatorischen Denkens umschrieben. Das Kind fixiert sich nicht mehr bloss auf gegebene Informationen. Es abstrahiert aus Beobachtungen und Aussagen mögliche Einflussvariablen, erstellt ein System möglicher Kombinationen solcher Einflussvariablen, das prinzipiell vollständig überprüft werden muss, bevor die richtige Lösung gefunden werden kann.

8.2 Proportionales Denken

Hierzu gestaltete Piaget einen Versuch, bei dem den Kindern zwei leere Gefässe gezeigt werden: A und B. Nun werden einige Becher mit Flüssigkeiten in jedes der Gefässe gegossen. Einige dieser Becher enthalten Orangensaft, andere enthalten Wasser. Das Kind soll nun voraussagen, welches der beiden Gefässe schliesslich eine Mischung aus Orangensaft und Wasser enthalten wird, die stärker nach Orangensaft schmeckt. Das Kind kann die Zahl der Becher zählen, die in jedes Gefäss gegossen werden sollen, aber es darf die Becher nicht wirklich in das Gefäss giessen und probieren. Folgende Sequenz von Lösungsstrategien wurden beobachtet:

Strategie 1 (3 bis 4 1/2 Jahre): diese besteht aus einem isolierten Zentrieren. Das Kind beurteilt jede Reihe mit Bechern für sich, ohne Vergleich. Es registriert lediglich, ob ein Becher mit Saft dabei ist oder nicht. Es löst daher nur jene Probleme, in denen nur auf einer Seite ein Glas mit Saft steht, es versagt aber in allen anderen Fällen (b, c, d).

Strategie 2 (4 1/2 bis 6 Jahre): eindimensionaler Vergleich. In dieser Phase registrieren die Kinder nicht nur die An- oder Abwesenheit von Saft auf jeder Seite, sondern auch die Menge des Saftes, das ist die Anzahl der Becher mit Saft. Ihre Antwortstrategie ist nicht mehr nur absolut sondern vergleichend. Sie sind erfolgreich in allen Fällen, in denen das Zählen der Saftbecher auf jeder Seite die Lösung ermöglicht (a, b im Gegensatz zu c, d), d.h. sie behaupten, jenes Gefäss schmecke mehr nach Orangensaft, in das mehr Saftbecher gegossen werden.

Strategie 3 (7 bis 8 Jahre): zweidimensionaler Vergleich. Nun wird auch die Zahl der Wasserbecher beachtet und nicht mehr bloss die Zahl der Saftbecher. Die Strategie besteht darin, die relative Zahl der Wasser- und der Saftbecher auf jeder Seite zu berechnen und jene Seite zu wählen, bei der die Zahl der Saftbecher überwiegt. Wenn auf beiden Seiten nun aber die Zahl der Saftbecher überwiegt (d) oder wenn beide Seiten mehr Wasserbecher haben, sind die Kinder noch nicht zu einer korrekten Antwort fähig.

Strategie 4 (9 bis 10 Jahre): zweidimensionaler Vergleich mit Quantifizierung. Im Alter von neun Jahren etwa beginnen die Kinder nicht nur die relative Zahl von Saft- und Wasserbechern zu betrachten, sondern die Proportion zu quantifizieren, so dass sie fähig sind, alle Probleme zu lösen.
Anhand dieses Beispiels wird ersichtlich, dass jede Strategie eine modifizierte und leistungsfähigere Version der vorhergehenden darstellt. All diese Strategien lösen einige Probleme und alle machen in einer gewissen Weise Sinn. Jedes höhere Niveau erlaubt die Lösung einer grösseren Zahl und Vielfalt von Problemen, da einige neue relevante Aspekte der Aufgabe zusätzlich einbezogen werden. Gemäss Piaget schliesst jede neue Strategie die Elemente der vorhergehenden ein, ist aber differenzierter und gleichgewichtiger als diese.

Die Begriffe "Reversibilität" und "Beweglichkeit" der Transformationen haben in seinem Denken eine grosse Bedeutung. Er sieht die geistige Entwicklung als eine Entwicklung auf grössere Beweglichkeit des Denkens hin. Piaget sprach auch vom hypothetisch-deduktiven Denken (sog. structure ensemble), also einem in sich geschlossenen Gesamtsystem des Denkens.
Die formal-operationale Phase stellt somit das Erreichen des Entwicklungsoptimums des Denkens dar:
Das Kind kann sich von der konkreten Ausgangssituation lösen und ist fähig, mit hypothetisch angenommenen Sachverhalten zu operieren.
Systematisches Vorgehen ist möglich.
Sämtliche in Betracht kommenden Erklärungen werden in Erwägung gezogen und alle Möglichkeiten vergegenwärtigt, die in einer Problemsituation enthalten sind.
Das Kind verlässt sich auf die eigenen Schlussfolgerungen ohne dass diese durch den Augenschein beeinflusst würden.
Das Kind zeigt zunehmend Interesse an abstrakten und theoretischen Fragen.

9 Piagets Stufenkonzept

Piaget nahm an, dass Situationen oder Aufgaben, die alle die gleiche logische Struktur haben, von Kindern gleichen Alters richtig gelöst werden müssten. Dies ist aber nicht der Fall. Ein Problem wirft die Beobachtung auf, dass die gleiche Struktur in unterschiedlichen Gegenstandsbereichen nicht im gleichen Alter realisiert wird. Piaget hat dieses Problem relativ schnell erkannt und dafür den Begriff "Décalage" (horizontale Verschiebung) eingeführt, allerdings hat er keine Theorie dieser Verschiebung ausgearbeitet. Aufgaben mit der gleichen identischen Struktur werden von den Kindern zu verschiedenen Zeitpunkten in ihrer Entwicklung richtig gelöst. Es ist also so, dass mutmasslich gleiche Leistungen in verschiedenen Bereichen entwicklungsmässig nicht synchron sind. Die Erwartung, dass alle Probleme der gleichen Struktur etwa zur gleichen Zeit gelöst werden können, entspricht dem Stufenkonzept, es gibt aber manchmal eine Verschiebung von bis zu vier Jahren.